Bio, Food, genuss, reise, Rezepte
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Wo galoppiert mein Mammut hin? Anders essen als bisher.

Im vergangenen Sommer las ich vermehrt über die sogenannte Steinzeit-Ernährung und deren mögliche oder auch offensichtliche Wirkungen. Andreas Naurath, den ich vom Sehen auf der re:publica kannte, bloggte über seine persönlichen Erfahrungen und Felix Olschewksi veröffentlicht auf Urgeschmack informative Videos und zeigefingerfreie Posts zu den unterschiedlichsten Fragen. Als mich im Juli ein Filmmusik-Symposium nach Berlin führte und ich auf der Frühstückskarte von Spreegold einige Paleo-Gerichte entdeckte und auch als wohlschmeckend empfand, war meine Neugierde endgültig putzmunter und ich beschloss den kulinarischen Perspektivwechsel.

Spreegold Paleogranola

Und so strich ich ab August testhalber Getreide- und Milchprodukte, Hülsenfrüchte und vor allem Zucker von meinem Speiseplan. Einerseits sah ich darin die Chance, mich endlich mal von all dem Süßkram zu befreien, der mich seit Jahrzehnten in Phasen des Wohl- als auch Unwohlbefindens viel zu eng begleitet und immer wieder Anlass für die Veränderung des Bundweiten bot. Dieses Zu- und Abnehmen hatte und habe ich einfach rundum satt. Ich bin schließlich nicht der Mond und möchte diesen Teufelskreis gerne durchbrechen. Den zweiten Grund lieferte mir mein Arzt, der mit Besorgnis meine seit gut drei Jahrzehnten erhöhten Entzündungsparameter betrachtete und vorschlug, dagegen nun doch mal medikamentös vorzugehen. Als studierte Medizinerin kenne ich die Wirkungen von Pharmaka ebenso wie die Nebenwirkungen. Und so bestand ich auf einem ernährungsumgestellten Karenzmonat mit anschließender Laborkontrolle. Und siehe da: Die Entzündungsparameter waren tatsächlich deutlich gesunken. Außerdem hatte sich mein Gewicht etwas reduziert, ein überaus erfreulicher Nebeneffekt. Was mich jedoch überzeugt hat, mit dieser Ernährungsform weiter zu machen, war die famose Tatsache, dass die Lust auf Schokolade, Eiscreme und Co. complettamente weg war. Weg. Einfach nicht mehr da. Endlich! Ohne innere und äußere Dramen. Ohne Gelüste oder das Gefühl, wirklich Verzicht üben zu müssen. Zack. Gone. Wie vor gut 15 Jahren, als ich mir eine Zigarette anzünden wollte – kurz innehielt und sie anblickte und wusste, dass ich einfach keinerlei Lust auf sie hatte. Damals steckte ich sie zurück in die Verpackung, packte die herumliegende Schachtel Tage später in den Schrank und entsorgte sie einige Jahre später endgültig. Zack. Das war’s mit der Raucherei. Vielen Dank dafür, Du irgendwas in meinem inneren System, das mich damals geleitet hat.

Nun sind es also zehn Monate mit der neuen Ernährungsweise. Es geht mir bestens damit, mein Körper zeigt mir bislang unbekannte und durchaus willkommene Seiten und letztlich gab es nicht allzu viele Umstellungsthemen bis auf anfängliche Gelegenheitsfröstelei. Ich hatte mich ohnehin schon lange nach den Prinzipien von Slow Food und des ökologischen Landbaus ernährt und somit auf die Qualität der Lebensmittel geachtet. Zudem habe ich das Glück, im Land der Hermannsdorfer Landwerkstätten zu leben und somit in den Genuss wertiger und geschmackvoller Fleischsorten und Wurstwaren zu kommen. In diesem Zusammenhang möchte ich die Transparenz bietende Inhaltsstoffe-Broschüre von Hermannsdorfer lobpreisen! Ich war durchaus überrascht bis schockiert, wie viele herkömmlich und auch ökologisch produzierte Wurstwaren und Schinken Zucker enthalten. Schaut mal auf die Zutatenliste oder fragt beim Metzger nach – es ist ein Graus.
Neu für mich ist, dass ich immer ein paar Nüsse oder einen zuckerfreien Rohkostriegel auf Dattelbasis dabei habe. Denn manchmal kann es tatsächlich unterwegs mit der Speiseauswahl eng werden, wenn man nicht den nächstgelegenen Bäcker oder Sandwichologen aufsuchen kann – gerade auch auf Reisen.

Umso glücklicher war ich, als ich nun anlässlich der re:publica (#rp15) wieder in Berlin war und bei Spreegold eine wunderbare (Frühstücks-)Auswahl hatte, die mich bis abends sättigte.

Spressgold Paleo Power Omelette

Und endlich konnte ich auch das Sauvage testen, das in gleich zwei Restaurants die Gourmet-Variante der Paleo-Küche anbietet. Ein Freund, der selbst auf sehr hohem Niveau die Messer wetzt und Kochlöffel schwingt und Non-Paleot ist, und ich testeten das Prenzlberger Sauvage in der Winsstraße Ecke Christburger Straße. Für mich war es ein Wiedersehen mit einer bekannten Location, denn im Vorgänger „La Femmina Morta“ hatte ich während meiner Coaching-Fortbildungszeit genüssliche Abende mit meinen Kolleg_innen verbracht. Viel dunkles Holz am Boden und den Wänden, zumeist kleinere Tische – drei Räume, die ineinander übergehen, ein paar Plätze auch im Freien. Quite cosy.

Als Amuse gueule gab es einen Süßkartoffel-Gnocco mit (für mich als Pilznichtsomögerin zum Glück recht diskreter) Pilzpastete.

Sauvage Amuse gueuleDer Freund wählte das auch geschmacklich aussagekräftige Steak Tartar vom Grasrind mit fermentiertem Gemüse als Vorspeise.

Sauvage Steak Tatare

Ich schwelgte hingegen in krossem und zugleich doch saftigen Bauchspeck mit brasilianischem Angu, Tomaten-Confit und Paprika-Perlchen. Molto leckero!

Sauvage Bauchspeck AntipastoDann gab es Spargel. Genauer gesagt: Spargel-Gratiné mit Paleo-Bärlauch-Béchamel und in Honig fermentiertem Romanesco-Daikon-Salat. Der Salat war eine Wonne, der Spargel hat in seiner Konsistenz leider unter zu starkem Gratinieren gelitten, was wir mitten in der Spargelzeit und bei den köstlichen lokalen Sorten wirklich schade fanden.

Sauvage SpargelgratineNatürlich hätte ich als traute Steinzeitmaid mich hier deutlich fleischlicher zeigen können, allerdings stand der Lammhaxe oder einem Filet doch mein Wunsch entgegen, eines der Desserts zu essen. Denn tatsächlich sind Desserts frei von Zucker, Milch- und Getreideprodukten eine echte Herausforderung. Oder einfach schnell langweilig (die nussigste Nuss bleibt einfach eine Nuss, wenn schon das „Müsli“ oder auch selbstgebackenes Pseudobrot deutlich nusslastig zubereitet werden). Da ich auch gerne mal scheinbar unpassenden oder doch zumindest befremdlich klingenden Kombinationen eine Chance gebe, fiel meine Wahl auf die Spargel-Kakaobutter-Vanille-Mousse mit süßen Kalamata-Oliven und Haselnuss-Lebkuchen. Sie war meinem Gaumen ein inbrünstiges „WOW!“ wert.

Sauvage Spargel-Vanille-MousseMein Gegenüber entschied sich für den Bananenkuchen, der überaus saftig und nussig (!) war.

Sauvage Bananenkuchen

Wir genossen an dem Abend einen sehr umsichtigen Service – Freunde von mir waren gestern Abend im Sauvage und beklagten, ein wenig missachtet worden zu sein und recht durstig von dannen gezogen zu sein. Wie schade, das müsste wahrlich nicht sein. Die Preise sind gerade für Berliner Niveau durchaus gehoben, die Qualität der Zutaten und die Kreativität der Gerichte rechtfertigt dies aber durch und durch. Es war ein formidabler Abend. Ich musste allerdings ein paar Mal sehr an Loriots unvergessliche Ödipussi-Szene im Mailänder Nobelhotel denken: „Was ist ein Mousse Rabelais a la Lezanne? — Das ist eine Queue d’Ecrevissage en Sauce Poupoule Courouse.“ Aah ja!

Würde ich der berühmten Fee begegnen und sie mir drei „Steinzeit“-Wünsche erfüllen, so lauteten diese:

  1. Liebe Gastronomen, traut Euch an das Thema ran. Es ist ebenso wie die vegane Küche durchaus machbar und es genügen ein paar wenige Gerichte auf Euren Speisekarten.
  2. Das Sauvage ist großartig: visionär, kreativ, umsetzungsstark. Ein bisschen mehr Bodenständigkeit sollte es jedoch auch ermöglichen, fleischige Hauptgerichte wie Rinderroulade oder Schweinebraten zu einem Preis unter 20 EUR anzubieten.
  3. Liebe mich einladende oder mich treffen wollende Freunde, macht Euch bitte keinen Kopf um meine „gschbinnerte“ Essweise. Es gibt ein Leben ohne Pasta und ich finde schon was auf den Speisekarten dieser Welt. Und sollte mal ein Hauch Mehl dran vorbei geflogen sein, so werde ich mich schon nicht gleich atomisieren. Und last but not least: Stellt mir Fragen, falls Ihr welche habt. Ich will niemanden von irgendetwas überzeugen – ich bin einfach nur froh, eine für mich gute und praktikable Ernährungsweise gefunden zu haben.

 

 

 

 

 

7 Kommentare

  1. derselbe: Margit Tepliczky, Wien sagt

    Haaah??? Kein Zucker? Na, in Gotts Nam. Tut mir eh nicht gut als alter Diabetikerin. Aber kein Mehl vulgo Dinkel oder Roggen?? So was Gutes und Gesundes! Ein Leben OHNE kann ich mir
    gar nicht vorstellen. Und jetzt auch noch auf Milchjoghurtgervaishüttenkäsedamerrahm verzich-
    ten? Ja, bist denn du…? Aber Fleisch! Wo ich mich doch zum Vegetarier durchgequält habe!
    Grad mit den Nüssen bin ich per DU. Das ist es aber auch schon. Bei „süssen Oliven“ fällt mir
    schon wieder der Unterkiefer runter.Ich hab Deinen Bericht 2 x lesen müssen, weil ich zuerst geglaubt hab: das glaub ich nicht. Sie macht einen Scherz.
    Aber im Ernst: wir Österreicher sind wohl die echten Steinzeitmenschen, denn von dieser Er-
    nährungsweise hat hier noch kein einziger Mensch was gehört und es gibt zumindest in Wien
    und in 9 weitern Bundesländern kein einziges Lokal, das dir Derartiges anbieten kann, es sei
    denn aus purem Zufall…
    Ich war soeben wieder 2 Wochen im Spital – einem besonders fortschrittlichen – und wie der Speiseplan war, kannst du dir denken. In der Früh 2 Scheiben Schwarzbrot, Butter, Marmelade,
    Milchkaffee und so ging es weiter… Nun, ich habe dort wieder zugenommen, weil ich zu viel
    gefüttert wurde – und jetzt spannt die Hose ordentlich. Macht mich auch nicht glücklich. Aber
    Deine Diät: sorry! Impossible in this surrounding.
    Die Steinzeitler haben ja auch keine Kartoffel gekannt. Gemüse? Keine Ahnung. Den Apfelbaum
    aud dem Paradies vielleicht.. Hülsenfrüchte? Schon wieder nicht. Nur Fleisch. Proteine! Daher
    überhaupt die Kraft, das erlegte Tier dann bis zur häuslichen Höhle schleppen zu können…

    Aber interessieren tut es mich doch, wie das mit der sauteuren Menschen-Anfang-Ur-Ernährung
    weitergeht. Und was R. dazu gesagt hätte!

    Margit

  2. Liebe Margit,
    oje – Dein Spitalaufenthalt ist natürlich alles andere als schön! Möge er wenigstens bestens geholfen haben und Dich nun lange spitalabstinent halten. Und klar: in diesen Situationen ist’s immer sehr schwierig, sich an eine spezielle Ernährungsweise zu halten – da ginge es Veganern oder Rohköstlern nicht anders.
    Hab keine Sorge: ich laufe nicht im Lendenschurz umanand und überlasse auch den Speer den Ureinwohnern im Amazonasgebiet.
    Und natürlich gibt’s auch nicht nur Fleisch Fleisch Fleisch, sondern ganz viel Gemüse, täglich auch Obst und das natürlich wie auch vorher schon nur bio, saisonal und regional. Dazu noch Fisch und Geflügel und Salate. Hier gibt’s eine Übersicht: http://www.urgeschmack.de/paleo-einkaufsliste/ Und ja: Auch wenn ich noch nie ein großer Pasta-Liebhaber war und auf Pizza gut verzichten kann, fiel mir natürlich zu Beginn der Verzicht auf das so herrlich leicht zu beschmierende oder belegende Brot und vor allem auf meine heiß geliebten Brezn schwer. Und auch dem geliebten Ziegenkäse habe ich anfangs sehnsuchtsvoll hinterher geblickt. Aber das ist wie beim morgendlichen Müsli mit Naturjoghurt einfach auch eine Gewohnheitssache gewesen und es macht auch Spaß (mir zumindest), nach neuen schmackhaften Lebensmittelkombinationen zu fahnden und sie auszuprobieren. Heute enthält das Müsli eben Nüsse, Kokos- oder Mandelmilch und bissl Obst. Und ich entdecke 325 Zubereitungsvariationen von Eiern (und dabei haben sich auch noch meine Cholesterinwerte normalisiert).
    Ich hab ja schon immer gerne „frei nach Schnauze“ (also ohne Rezept) gekocht – das setze ich jetzt halt mit ein paar neuen Spielregeln einfach fort. Kein Mehraufwand also bis aufs anfängliche Studieren der Zutatenlisten – man lernt ja schnell, in welchen Tomatenmark-Gläschen Zucker enthalten ist und welche Rotkohl-Angebote zuckerfrei sind. Auch kein finanzieller Mehraufwand, denn der ganze Nebenbei-Blödsinn fällt ja weg.
    H. ist immer wieder beeindruckt von den Veränderungen und freut sich, dass es mir einfach gut tut und ich mich wohl fühle damit – und ich glaube, R. erginge es ebenso 😉

  3. Wahnsinnig spannendes Thema! Habe selbe einige Zeit damit verbracht mich mit dem Thema zu beschäftigen aber dann entschieden das es einfach zu kompliziert ist weil diese essrichtung einfach noch nicht wirklich verbreitet ist. Ich achte zwar auf Ernährung aber so ganz ohne Mehl schaff ich nicht 😓

    • Das verstehe ich, denn es kostet wirklich Zeit, Produkte zu finden, die ohne Zucker oder Getreideprodukte hergestellt werden. Und in Restaurants oder bei privaten Einladungen muss ich immer wieder erklären, warum ich dies esse und etwas anderes eben nicht – manchmal bin ich dessen einfach überdrüssig. Aber letztlich bekommt es mir einfach so gut, dass ich einfach dabei bleibe – auch, wenn ich sicherlich manchmal für eine Spinnerin gehalten werde. 😉

      • Da sprichst du mir aus der Seele und bestärkst mich darin auch wieder mehr hinter meinen Überzeugungen zu stehen! Aber wie du schon sagst kostet es manchmal einiges an Energie 🙈

        Liebe Grüße
        Kim 💕

      • Ja – ich glaube, eine Mischung aus „zu sich und dem, was einem wichtig ist, stehen“ einerseits und „sich und alles nicht zu ernst nehmen“ andererseits liegt eine ganz gute und entspannende Mischung. Und wie auch beim Kochen und Backen: manchmal wird’s mit der Zutat ein bisschen schmackhafter und manchmal eben mit einer anderen 😉 Liebe Grüße auch an Dich!
        Catharina 💕

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