Alle unter Trauer verschlagworteten Beiträge

Ein Foto, das verändern kann.

Es ist das Foto des dreijährigen ertrunkenen Jungen am Strand von Bodrum. Ich zeige es hier nicht. Ich habe es vor dem inneren Auge und ich bin mir sicher, so geht es vielen. Selten habe ich meine Timeline bei Twitter und Facebook so gespalten und dabei so dezidiert in ihrem Urteil erlebt wie gestern, als das Foto verbreitet wurde. Ja, ich kann beide Seiten verstehen: Diejenigen, die Bilder wie dieses nicht sehen wollen. Weil sie sie nicht ertragen − aus unterschiedlichen Beweggründen. Und ich verstehe auch jene, die davon überzeugt sind, dass ausschließlich Fotos wie das von Aylan Kurdi in der Lage sind, aufzurütteln, um den wahren Irrsinn der Lage begreifen zu können. Dieser Auffassung bin ich auch. Seit Monaten beobachten wir in mehr oder minder großer Seelenruhe aus den TV- oder Websesseln heraus, dass Menschen − vor allem aus Syrien − fliehen. Und wie sie das tun. Wir sind medial zu Gast in ihren Lagern, in ihren Essensausgabeschlangen, auf den Booten ihrer Schlepper und bei ihrer Ankunft auf den Mittelmeerinseln. Wir lesen und wir sehen. Aber …

Ode an ein Lebenswerk: Die leisen Töne des Rolf Alexander Wilhelm.

313 Tage nach Dir, geliebter Vater, hat auch Dein Werk Dein Haus für immer verlassen. Es schneite – wie am Tag Deines letzten Atemzugs im Januar. Und seit gestern haben Deine Gedanken, Ideen und deren Umsetzung nun im Deutschen Komponistenarchiv  im Europäischen Zentrum der Künste Hellerau in Dresden ihr Zuhause gefunden. Es war Dein Wille. Du selbst hattest bereits die vorbereitenden Gespräche mit Frau Landsberg, der Leiterin des Archivs, geführt. Und seit 2010 hatten bereits einige Tonbänder und auch Partituren den Weg nach Dresden gefunden. Ich bewundere bis heute, dass Du den Mut hattest, Dir Gedanken über das „Danach“ zu machen, einige Notizen anzufertigen, ein bisschen vorzusortieren und das ein oder andere mit mir zu besprechen. Und vor allem: Dir und uns einzugestehen, dass es Dir doch auch schwer fiel, Dich vom Gros Deiner Werke noch zu Lebzeiten zu trennen. Ich fand es immer verständlich. Du hattest ein schlechtes Gewissen, uns „die Arbeit“ zuzumuten. Ja – es gab einige wenige Momente in den vergangenen Wochen und Monaten, wo ich ratlos vor den Bergen an Tonbändern und Partituren, …

Für Trauer gibt es keine App.

Etwas mehr als sieben Wochen ist es her. Und unendlich viele Ratschläge. „Du musst doch unter Menschen.“ „Du kannst doch nicht ewig in Schwarz rumlaufen.“ Doch, ich kann. Und ich muss keineswegs irgendetwas. Trauer ist nichts, das sich vorschreiben lässt – weder zeitlich, noch inhaltlich, noch in ihrer Intensität. Die Ratio begibt sich im wirklichen Trauerfall  in dauerhaften Kampf mit der Emotio.  So ist das zumindest bei mir im Moment. Rationell gibt es tatsächlich Argumente, die ich von Anfang an gelten lassen kann: 85 ist ein Alter, in dem man gehen kann. Ja. Ein bis 10 Tage vor dem Tod unerkannter Krebs bedeutet auch Erlösung von einem erkannten, aber noch in seiner Tragweite völlig unabsehbaren Alzheimer-Verlauf. Definitiv. Den Weg ins immer tiefere Vergessen kann nur nachvollziehen, wer ihn persönlich erlebt hat. Zumindest ansatzweise. Alzheimer sollte öffentlich endlich entniedlichisiert werden! Auch wenn es Momente im Verlauf dieser Krankheit gibt, die Betroffenen und Angehörigen ein Schmunzeln oder sogar Lachen entlocken können – nichts daran ist so entzückend, wie es manchmal in den Medien gerne dargestellt wird. Dazu …