Wie in früheren Dresden-Posts erwähnt, gibt es familiäre Bindung an Dresden. Sie liegen lange zurück: Mein Ururgroßvater Ferdinand Böckmann war von 1861 bis 1911 Solo-Cellist der damaligen Königlichen Musikalischen Kapelle (heute Staatskapelle Dresden). Der junge Richard Strauss wohnte während seines Dresden-Aufenthalts 1883 bei Böckmann − die beiden führten auch gemeinsam Strauss‘ Cellosonate op. 6 auf.
Dass noch heute sein Foto auf der Homepage der Staatskapelle Dresden zu finden ist, erfüllt mich schon mit latentem (wenn auch völlig unbegründeten) Stolz. Böckmanns Töchter feierten eine Doppelhochzeit − die Einladungen und Menükarten haben irrwitzigerweise beide Weltkriege überstanden und so hielt ich sie vor kurzem in den Händen. Marie, genannt Mimi, heiratete Alexander Wilhelm, meinen Urgroßvater und zog mit ihm nach München, wo sie 1949 starb. Ihren akribischen Aufzeichnungen zu 61 Jahren Theater-, Oper- und Konzertbesuchen von 1881 bis 1942 kann ich allerdings entnehmen, dass „die O“ (wie mein Vater und Onkel sie liebevoll sächselnd nannten) immer wieder die Familie in Dresden besuchte.
Ich kann’s verstehen, die Stadt hat einfach einen unglaublichen Charme. Dieses alte Foto (leider nicht datiert) ist sicherlich auch aus ihrem Nachlass.
Bedenkt man, welch grässlichen Bombenangriffe die Stadt überstehen musste, so finde ich es unglaublich mutig und bewundernswert, dass das Panorama heute dem alten nahezu wieder gleicht.
Und kein Wunder also, dass ich bei meinem Zweitbesuch vor kurzem auch ein wenig mehr von Dresden sehen wollte als beim Erstkurzbesuch im Schneechaos des Januar 2010.
Schon am Ankunftabend führte mich der Weg zurück ins Hotel noch vorbei am Theaterplatz mit der Semperoper. Er ist angenehm diskret beleuchtet und entfaltet in abendlicher Verkehrsstille seine ganze Pracht. Die Weite des Platzes beeindruckt mich sehr − sie lässt den sie umgebenden Gebäuden und ihren Betrachtern Raum zum Atmen.
Der Nachmittag des zweiten Tages glänzte durch erste wirkliche Frühlingstemperaturen und Strahlewetter. Und so konnte ich das große Glück genießen, von zwei langjährigen Neustadt-Überzeugtinnen das junge, neue, bunte Dresden gezeigt zu bekommen. Los ging’s mit einem Mittagsstärkungsbesuch in der Suppenbar in der Rothenburg Straße 37, in dem eine großzügige Portion Kürbissuppe auch dafür sorgte, dass ich den süßen Kleinkunst-werken gesättigten Auges fröhlich widerstehen konnte.
Die drei Süßen sehen doch wirklich verlockend und frisch aus, nicht wahr? Danach zeigten mir meine Gastgeberinnen den soeben eröffneten Lose-Laden in der Böhmischen Straße 14, in dem alle Waren eben unverpackt angeboten werden. Verpackungsmaterial wie Glas-Gefäße oder Baumwoll-Säckchen (für Obst und Gemüse) kann man kaufen und dann jeweils für den Einkauf wiederverwenden. Das Bemerkenswerte: Ich stand nun erstmals in einem durch Crowdfunding finanzierten Ladengeschäft. Das ist schon ein richtig gutes Gefühl, dass es heute mehr und mehr gelingt, wirklich gute Ideen durch das Vertrauen und die Einzelspenden vieler Menschen real werden zu lassen. Große Klasse. Möge der Lose-Laden seinen verdienten Erfolg genießen können!
Dresden ist an dieser Stelle wunderbar bunt und energievoll − und auch noch so herrlich unperfekt. Und dadurch auch so liebenswert. Hier einige Impressionen von unserem Streifzug durch die Gassen und Höfe.
Irgendwann war’s dann doch noch Zeit für einen Espresso, der im émoi in der Kamenzer Straße 40 erneut mit dem Blick auf Pâtissierkünste buntisiert wurde.
Danach ging’s auf zu weiteren Frühlingsfarbtönen und ab in den Alaunpark, wo sich Jung und Alt tummelte und die Sonne genoss.
Und vorbei an der Prießnitz und entlang prachtvoller Altvillen hinunter an die abendlich besonnte Elbe, an der es erstaunlich ruhig zuging.
Wie beruhigend so ein Fluss doch sein kann.
Den Abend beschlossen wir in Fleecedecken eingehüllt im Gastgarten des Raskolnikoff, in dem es sich so köstlich und überlegt speisen lässt, dass ich mir den Tipp fast verkneifen möchte. Und übrigens: Das Alte ist gleichzeitig das Neue daran…
Dankbar für einen wunderbaren Seelenhänge-Nachmittag entschwand ich in die Hotelnacht, noch lange diesen Satz in mir tragend…
Am nächsten Morgen wollte ich vor der Abfahrt unbedingt noch die Gemäldegalerie der Alten Meister sehen. Sie schließt im September und Oktober 2015 für einige Wochen. Ja, was soll ich sagen? Manchmal berührt mich Kunst so sehr, dass mir spontan ein paar Tränchen in die Augen schießen. Hier war wieder einer dieser Orte. Ob Vermeer, Raffael, Titian, van Dyck, Dürer, Canaletto, die Cranachs oder Holbeins − ich kann eintauchen in die Bilder und verschwinde für ein paar Stunden darin. „Nix wie rein“, lautet mein Tipp. Einfach ausprobieren und dann entscheiden, ob es ein nächstes Mal geben sollte oder eben auch nicht.
Nach einer Mittagscurrysuppe im für mich erinnerungsgetränkten Café Alte Meister − mit Blick auf die Semperoper − beendete ich meinen Dresden-Besuch mit einem Spaziergang über den Theaterplatz und vorbei am Zwinger.
Ich freue mich auf das Wiedersehen − vielleicht begebe ich mich dann auf die Suche nach Mimis Elternhaus.
Was verkünden doch die Fahnen vor der Semperoper so trefflich?
„Türen auf. Herzen auf. Augen auf.“