Der Ravenna-Besuch wirkt nach und nach und nach und nach.
Natürlich frage ich mich, warum das so ist. Sommerlich schön und richtig heiß war es zuhause bei der Abreise auch.
Das Sommerfeeling allein kann es also nicht gewesen sein.
Und doch ließ mich Ravenna schon nach den ersten Metern nach dem Bahnsteig hin zum Hotel in eine ganz spezielle Welt des Wohlgefühls eintauchen. In das Italiengefühl eben. Und das besteht aus vielen kleinen und per se eher einfachen Puzzlestückchen. So lässt allein ein banales Tabacchi-Sali-Schild mein Herz hüpfen, auch wenn ich nicht rauche und auch mein Salzkonsum sich in überschaubaren Grenzen hält.
Italiener schätzen ihre Lebensmittel − und schenken ihnen die Möglichkeit, frisch und reif auf den Tisch zu kommen. Denn nur dann können sie ihre Aromenvielfalt wirklich zeigen. Manchmal heißen sie ungewöhnlich wie der unscheinbare Frischkäse Squacquerone, den ich hier in so vielen Gewändern − vom Brotaufstrich über den herzhaften Pudding bis hin zum Eis − kennenlernen konnte. Und manchmal sind sie einfach in purer Reife und Frische da, weil eben gerade ihre Saison ist wie bei diesen Erbsen, Borlotti-Bohnen und Kornel-Kirschen.
Beobachte ich in einem Restaurant italienische Männer an Nachbartischen, so unterhalten sie sich meist ausführlich über die Frische der Zutaten ihrer Gerichte, geben sich Tipps zu Einkaufsmöglichkeiten und Rezepten. Stundenlang! Mich hat in Paris vor ein paar Jahren an einem Kiosk im Jardin du Luxembourg eine Gruppe italienischer Teenies beeindruckt, die die dort angebotenen Sandwiches aufgrund mangelnder Frische und Qualität trotz ihres offensichtlich immensen Hungers als nicht verzehrsgeeignet bewerteten und lieber noch ein wenig hungerten als sich diesen „schiffo“ (also Dreck) einzuverleiben. Auch das bedeutet Kultur für mich: wissen und schätzen, welche Güter uns die Natur bietet. Und wo Industrieblödsinn beginnt und dass man ihn auch verweigern kann.
Was gut gereift auf den Tisch gebracht wird, benötigt manchmal nicht mehr als einen Schuss guten Olivenöls und etwas Salz. Schwups, schon ist eine klassische Vorspeise wie Pinzimonio fertig.
Oder eine Bruschetta, der man den Sommer-Geschmack ihrer Tomaten einfach schon ansieht.
Dann ist es auch die Architektur, die in Italien bezaubert. Ja, natürlich gibt es auch in Italien grässliche Bausünden! Es gibt aber eben auch diese typischen Häuser: bunt, charmant und nicht immer tipptopp gepflegt, aber stets mit Charakter. Und mit den Holzläden, die meist dunkel gestrichen sind und einfach millionenmal mehr Charme besitzen als jeder Rolladen der Welt.
Und: Piazza! Das Zwei- und manchmal auch Erstwohnzimmer der Italiener…. in klein und groß.
Auf der Piazza steht auch gerne mal ein Denkmal eines Nationalhelden. Einer geht (in Ermangelung aktueller Fussballhelden) immer: Garibaldi. Hier flankiert von Palmen (wenn schon, denn schon!).
Italien bedeutet auch Säulen wie diese hier, die die Venezianer auf der Piazza del Popolo errichten ließen und deren Sockel die Tierkreiszeichen trägt.
Und diese Landschaften! Auch der Plattheit mancher Regionen wohnt ein Reiz inne, der mich immer wieder gefangen nimmt. Rund um Ravenna sind es auch die Kanäle mit den so typischen Fischerhütten und Netzen, die mich „Zweitheimat“ fühlen lassen.
Italien ist für mich auch Lagune… und Weite.
Stille.
Ruhe.
Um unseren Garten-Oleander etwas anzuspornen, habe ich ihm ein Bild eines italienischen Cousins mitgebracht − schauen wir mal, ob das Wirkung zeigt (bislang verweigert er diese Jahr jegliche Blüte).
Italien ist für mich auch immer die Frage, ob es eigentlich mehr Madonnen-Darstellungen gibt oder vielleicht doch mehr Tauben (die ich nicht wirklich liebe…).
Italien lässt mich immer wieder Menschen erleben, die sich für ihr Thema rundum begeistern und mit großer Verve darüber zu erzählen wissen und mich so mitreißen.
Italien heißt für mich auch, beim Essen und gutem Wein lange und oft auch ins Philosophische purzelnde Gespräche zu führen. Heutzutage auch nur selten unterbrochen von einem Blick auf’s Telefonino (das doch auch so irgendwie charmanter klingt als hierzulande das „Handy“).
Italien ist…
Für mich ein überaus besonderes Land.
Und eine große Liebe, die mich − wie wohl jede große Liebe − auch ab und an überaus verwundert und mich auch mal an ihr zweifeln lässt. Und dann eben doch wieder bezaubert. Nennen wir es mein Perpetuum Mobile.
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Ich danke der Initiative #DiRavenna für die Einladung nach Ravenna.