27 Hotels sowie die Highlights ihrer kulinarischen Angebote zwischen zwei Buchdeckeln zu fixieren, ist keine leichte Aufgabe. Überhaupt: Kochbücher zu konzipieren und produzieren, ist harte Arbeit – auch wenn sie durchaus ihre genussreichen Seiten hat. Ich spreche aus Erfahrung, habe ich doch einige Jahre beim Verlag Gräfe und Unzer Kochbuchkonzepte entwickelt und viele als Autorin oder Redakteurin umgesetzt.
Die Bio Hotels stellten nun ihr drittes Werk aus der Reihe Kochlust Pur vor und haben es mit „Sinn und Sinnlichkeit“ untertitelt. Unterteilt ist es in die Kapitel Frühstück, Vorspeise, Suppe, Vegetarisch & Vegan, Fisch, Fleisch, Desserts und Spirits, die gefolgt werden von Kurzportraits der im Buch vertretenen Betriebe. Und ja: es ist drin, was drauf steht. Vor einigen Monaten hatten einige Blogger sowie Slow Fooderianer zwei Tage lang die Möglichkeit, dem Bio Hotels-Kochbuchteam bei der Arbeit im Alten Wirt in Grünwald über die Schulter zu schauen und die Rezepte des Hauses gleich auf ihre Nachkochtauglichkeit zu prüfen. Schon damals war klar: Die beteiligten Häuser und ihre Köche verbinden regionale, saisonale und soziale Aspekte mit purer Sinnlichkeit an des Gastes Gaumen.

Jan Plagge (Bioland), Jürgen Schmücking (Kochlust Pur III-Redakteur) und Georg Schweisfurth (Gut Sonnenhausen) bei der Vorstellung des Kochbuchs (von links nach rechts). (©casowi)
Das Buchteam der Bio Hotels unter der redaktionellen Federführung von Jürgen Schmücking (dessen Namen vermutlich mit „Der Unermüdliche“ ins Indianische zu übersetzen wäre, denn er zeichnet zudem für das Gros der Fotos verantwortlich) hat auch diesmal mit Partnern zusammengearbeitet, darunter Slow Food und Bioland. Bei der Buchvorstellung im Kochstall des Bio Hotels Gut Sonnenhausen nahe München kamen einige der Partner zusammen und verrieten den Gästen, weshalb ihnen die Kooperation wichtig ist.

Perfekt geeignet für kulinarische Events vor den Toren Münchens: Der Kochstall von Gut Sonnenhausen. (© casowi)

Die im Buch vorgestellten Rezepte von Gut Sonnenhausen wurden uns im Kochstall serviert. Seither überlege ich, welches Ereignis ich in der Location feiern könnte – dieses Ambiente! (©casowi)
Jan Plagge, Präsident des 50 Jahre bestehenden Bioland-Verbands und selbst Landwirt, erklärte, dass es wichtig sei, dass seine Zunft und die Bevölkerung wieder näher in Kontakt kämen. So solle das Buch eine Brücke bauen und zeigen, wie „unsere wertvoll hergestellten Produkte veredelt und wertgeschätzt werden können.“ Plagge begrüßt, dass auch die konventionelle Landwirtschaft das Thema Nachhaltigkeit nach langen Jahren endlich stärker in den Fokus genommen hat, „denn es muss sich was ändern – das bisherige System ist an seine Grenzen gestoßen und wird nicht mehr akzeptiert.“ Bioland versteht sich als Leitbild, nicht als Worthülse. Jan Plagge bekräftigt: „Das, was Menschen mit der Landwirtschaft verbinden wollen, das benötigt eben auch Bindung, persönlichen Bezug sowie direkten Austausch. Das schaffe ich nur, wenn ich an dem kulturellen Verständnis, das für mich Region oder Heimat heißt, auch wirklich nah dran bin. Wenn man hingegen ‚Region‘ oder ‚Regionalität‘ zu einem Marketingkonzept macht, ohne mit den Menschen an diesen Bedürfnissen zu arbeiten und daran, was damit gemeint ist, dann ist es nur ein Marketinggag.“ Es gilt, sich vielen Fragen zu stellen: „Habe ich Regionalität mit oder ohne Glyphosat, mit Biodiversität also einer Insektenvielfalt und Vogelschutz, habe ich sie mit Pestiziden oder habe ich ein ganz anderes Anbaukonzept – habe ich Regionalität mit Massentierhaltung oder so, dass jederzeit jeder Verbraucher hereinkommen kann und sehen kann: ja, so kann man Tiere halten’. Regionalität per se wird erst sinnvoll, wenn man sich mit den Bedürfnissen dahinter beschäftigt.“

Eine hervorragende Idee: Die ungebundenen Drucke eines Exemplars von Kochlust Pur III dienten als Tisch-Sets! (©casowi)
Bio-Spitzenkoch Simon Tress von der Schwäbischen Alb fordert, dass jeder Koch zu definieren habe, was für ihn das Wort „Lebensmittel“ bedeutet. Er selbst nimmt dabei immer wieder Bezug auf seinen Großvater, der bereits 1950 den Hof auf einen klassischen Demeter-Bauernhof umstellte und begrüßt, dass es durch Facebook und Co. heute mehr Transparenz denn je für die Gäste gäbe, die zudem viele Kollegen von Hipster-Koch-Attitüden auch zurück zu den Wurzeln führe. „Wir haben doch die Aufgabe, Konzepte und Rezepte bekannt zu machen – auch dafür sind wir ausgebildet. Was bedeutet Vegetarismus, wofür steht ‚Nose-to-Tail‘? Viele Menschen haben nach Jahrzehnten mit Fertiggerichten großen Nachholbedarf an Wissen und Geschmackserlebnissen.“ Ein Kochbuch wie dieses fühlt sich nicht nur gut an, es bietet Hintergründe und neue Einblicke in die Welt der Lebensmittel und deren Zubereitung, ergänzt er. Und kritisiert so manchen Kollegen: „’From Nose to Tail‘ bedeutet nicht, dass man ein Mal pro Jahr ein Rind schlachtet und alles verwertet – es bedeutet vielmehr, auf Ökologie zu achten. Wir kaufen sozusagen den Bestand eines ganzen Hofs mit 60 Rindern auf, und ich habe drei Bauern, die mir 120 Schweine liefern. Es geht nicht nur darum, das jeweilige Tier zu schätzen, sondern eben auch dem Landwirt und seiner Arbeit Wertschätzung entgegen zu bringen.“

Eingang zum Tagungszentrum Gut Sonnenhausen, östlich von München gelegen. (© casowi)

Im Seitentrakt des Gutshofs liegen neben einigen Privaträumen auch Tagungsräume in ehemaligen Stallungen – so auch der Kochstall. (© casowi)

Ginger rules! Eine der Hauskatzen des Gutshofs. (© casowi)
Gut Sonnenhausen-Chef Georg Schweisfurth ist es ein Herzensanliegen, Qualität sichtbar zu machen. Außerdem erscheint es ihm wichtig, dauerhaft darüber zu sprechen: „Du musst täglich aufs Neue anfangen, Bio zu erklären und zugleich zu erneuern – und dabei darf auch der Spaß und Genuss nicht zu kurz kommen. Vielen Bio-Käufern ist immer noch nicht klar, was Bio eigentlich bedeutet – sie benennen nur den Verzicht auf Pestizide, dabei geht es um so viel mehr.“ Kochlust Pur III mache Lust auf Bio, da neben hervorragenden Rezepten auch jede Menge Informationen zu Tieren oder zum Boden und seinen Produkten beinhaltet sind sowie zu den Menschen hinter den Hotels und deren Küchen.
Ich kann Georg Schweisfurth da nur Recht geben: #MehralsHotel lautet das Motto der Bio Hotels – und das findet sich auch im Kochbuch wieder. Ein sinnvoller und die Sinne ansprechender Beitrag für die Schärfung von Qualitätsbewusstsein.
Auf den Seiten 204 bis 207 sind übrigens auch wir Blogger in (Küchen)Aktion verewigt – eine schöne Erinnerung an die beiden Bio-Genusstage im Alten Wirt.

Ja! (© casowi)
Das Kochbuch ist für 33 EUR bei vielen Bio Hotels sowie online und im Buchhandel (ISBN: 978-3-200-05503-2) erhältlich. Einen Blick hinein gibt’s hier.
Ich bedanke mich bei be-oh Marketing für die Einladung zur Präsentation.
Dein Bericht eröffnet auch den „Nichtbiogläubigen“ die Möglichkeit zu verstehen, dass viel mehr dazugehört – mehr Wissen, mehr Leidenschaft und Bemühen um „BIO“ ernst zu nehmen und zu leben. Ich bin schon sehr gespannt auf das Buch und die köstlichen Rezepte !
Danke sehr – und ja, das wird wirklich klar mit dem Buch!