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Der Mann, der die Flaschen umlegte. Und schließlich sich.

Ein Abend Rom.
Eine kleine Osteria in der Nähe der Fontana di Trevi.
Angeregte Mattigkeit nach einem Tag voller Eindrücke, Erhabenheit, Lärm, bunter Bilder unterschiedlichster Art.
Verdura alla griglia. Danach ein Primo.
Und dünne Grissini. I Torinesi. Ein Stück Lieblingsitalien im Mund.

Am Tisch gegenüber sitzt ein Mann. Anfangsvierziger, wie es scheint. Ganz sympathisch.
Vor sich eine Flasche Syrah (warum auch immer ausgerechnet Syrah im Latium), dazu Wasser.
Im Ohr Musik – für die anderen Gäste glücklicherweise unhörbar.
Gut gebeatet beendet er seine Antipasti, um sich dann durch ein Steak zu grooven.
Als der Padrone ihn fragt, ob alles in Ordnung sei, lüpft er kurz den Kopfhörer, nickt und lächelt.
Kurz darauf holt mich ein Rascheln aus meiner Antipasto-Versunkenheit.
Der Blick nach oben verrät: Don Earplug erkannte offensichtlich meine Leidenschaft für Grissini und bietet mir aus der geöffnete Tüte seine an.
Supernette Geste! Danke – grazie – thank you! Lächeln, lachen.
Beidseitiges Blickesenken.
Meiner streift dabei die Syrahflasche. Olala – der Pegel steht tief.

Aspettando il Primo.
Wandscreening. Raumscreening.
Die Flasche Syrah ruht nun sanft. Auf dem Tischtuch. Ui – das ging schnell.
Er leert das Restwasser in sein Glas und legt danach das PET-Fläschchen flach auf den Tisch.  Merkwürdige Sitte – wo man die wohl pflegt?

Mitten im Pastaglück raschelt es wieder vor meiner Stirn.
I Torinesi, Packung 2, werden gewedelt.
Grazie di nuovo! Thanks again!
Blickesenken senken und weiteressen di nuovo.

Beim nächsten Blick wirkt Don Earplug bereits etwas müde.
Entspannt auf alle Fälle.
Sympathisch – nach wie vor.
Als er zur neben ihm auf der Sitzbank liegenden Jacke greift, liegt ein unausgesprochener Zahlungswunsch im Raum.

Was dann kommt: stufenweise Überraschung.
Zunächst entfernt er die Kopfhörer aus den Ohren.
Ein kurzer Rundblick durch den kleinen Raum mit Verharren auf der Grill-Schlachtplatte des Nächstnachbartisches.
Innehalten.
Ablegen.
Schlafen.
Ganz ruhig. Ganz sanft. Selbstverständlich.

Der Kellner bringt Essen ins Nachbarzimmer.
Ein Blick. Keine Unruhe.
Der Padrone kommt vorbei.
Ein Blick auf den Schlafgast. Ein weiterer Blick auf mich. Wechselseitiges Wissenslächeln.
Der italienischen Schlachtplattennachbarn senken die Stimmen.
Rechts im Raum bemerken nun auch die Franzosen die Ruhebedürftigkeit ihres Mitgastes und werden leiser.
Und auch der Kellner bemüht sich, Gläser nun unscheppernd ab- und anzutransportieren.

Der Padrone bringt neue Gäste in den Nachbarraum.
„Sono qui da 30 anni.“ Das sei ihm jedoch noch nie passiert. Mal sehen, wann der Gast aufwachen würde.

Es liegt Fürsorge in der Luft.
Liebevoller Umgang.
Wie unerwartet.
Wie schön.

 

 

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