Cristóbal Balenciaga (1895–1972) kam im Baskenland als Sohn eines Fischers und einer Näherin zur Welt. Bereits mit 12 Jahren begann er eine Schneiderlehre – gefördert von einer adeligen Kundin seiner Mutter, die 1919 auch seinen Schritt in die Selbstständigkeit mit einem eigenen Modesalon unterstützte. Nach der Lehre arbeitete er zunächst bei einem lokal gefragten Damenschneider und hatte das Glück, einige Male ins Zentrum der damaligen Modewelt, nach Paris, reisen zu dürfen und sich dort inspirieren zu lassen und austauschen zu können. Der erste eigene Modesalon (welch schönes Wort, by the way!) in San Sebastián war ein Erfolg, denn was sicherlich auch vor einem Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit war: Im Nu zählte die spanische Königsfamilie zu seinen Kunden. Als die Monarchie gestürzt wurde, erlebte Balenciaga eine kurze Phase der Pleite – schon im Jahr darauf eröffnete jedoch neue Salons in Barcelona und Madrid. Als jedoch einige Jahre später der Bürgerkrieg ausbrach, suchte er zunächst in London und schließlich in Paris neue Möglichkeiten, weiter als Modeschöpfer die Herzen der Damen und Portemonnaies der Herren zu erobern. Was ihm gelang: Anfang der 1950er Jahre konnte er sich als König der Haute Couture etablieren. Gewieft war er zudem: Produktpiraterie und Billigkopien waren bereits damals ein Thema – Balenciaga umging es elegant, indem er seine neue Kollektionen stets mit gehöriger Zeitverzögerung präsentierte. Hört man die Namen seiner prominenten Kundinnen, so seufzt zumindest die Damenwelt sanft auf: Audrey Hepburn, Grace Kelly, Jackie Kennedy-Onassis und Ava Gardner gehörten zu dem illustren Kreis, den Balenciaga bei offiziellen Anlässen ausstattete.
In der baskischen Hafenstadt Getaria wurde 2011 das Cristóbal Balenciaga Museum eröffnet.

Sculpture meets Couture – Bourdelle meets Balenciaga. ©casowi
Irgendjemand hatte nun die geniale Idee, Balenciagas Oeuvre in Schwarz im ohnehin schon entzückenden Pariser Musée Bourdelle zu zeigen. Genial ist sie deshalb, weil die hohe Kunst der Mode inmitten der hohen Kunst der Skulpturen des Rodin-Schülers Antoine Bourdelle liebevoll aufweist, wie viel Kunst und Raffinesse tatsächlich in der Schlichtheit schwarzpurer Kleidung liegt. Hier verschmelzen Kunst und Mode, Entwürfe und fertige Meisterwerke – fast riecht und hört man die Zeit dieser beiden Künstler, sieht die Leinwand- und Leinenliebhaber dieser Zeit, die Diven und die Dandys, die Mäzene und die Möchtegerns.

Szenen einer privaten Modenschau von Balenciaga. Haltungsnote unüblich. ©casowi

Kostümvariationen von Cristóbal Balenciaga. ©casowi

Kleider: Mal schlicht … ©casowi

… mal aufwändig. ©casowi
Gezeigt werden Skizzen, Schnittmuster, Nesselmodelle sowie zahlreiche Cocktailkleider, Galaroben, Jacken sowie Abendmäntel. Garniert werden sie mit den passenden Hut-, Schal- und Schmuckkreationen. Mal dominiert die schlichte Struktur einer Seide das Dessin, mal arbeitete Balenciaga mit kostbarer Spitze, aufwändigen Stickereien oder schillernden Pailletten, um den gewünschten Effekt in seine Kreation zu bringen. Schwanen- oder Straußenfedern sowie die Felle von Arktisfüchsen belegen, dass das Thema Tierschutz zu seiner Zeit noch recht unbedeutend war.

Paletten und Perlen als Zierde der Galarobe. ©casowi

Als Schwan oder Strauß musste schon mal Federn lassen für Balenciagas Kreationen. ©casowi
Balenciaga zeigte sich auch offen für Experimente mit in den 1960er Jahren neu erfundenen Stoffen wie Lurex oder Rhodoid. Und: Balenciaga war Erfinder des Babydoll, der überaus leichten und kurzen Bekleidung für verheißungsvolle nächtliche Stunden. Ob er deshalb in die Garde der Ehrenlegionäre erhoben wurde, ist fraglich – es gab sicherlich darüber hinaus ausreichend Gründe für diese Ehrung.
Beim Betrachten seiner Kreationen, deren Zauber er oft durch große Schlichtheit in der Schnittführung entfaltete, fielen mir fast schon in Vergessenheit geratene, wunderbar klanghafte Worte wie „Seidentaft“ oder „Wollmouselline“ wieder ein. Auch nach all diesen Jahren schafft Balenciaga es immer noch, mit seinen Stoffen, Schnitten und Ausführungen optisch und vermutlich auch haptisch zu bezaubern und so verlässt man mit einem kleinen Audrey Hepburn-Lächeln auf den Lippen das ebenso mystisch-magische Musée Bourdelle, das auch unbemodet auf alle Fälle einen Besuch wert ist. Weshalb? Das verraten Bourdelles Werke, Atelier- und Wohnräume am besten selbst.

Antoine Bourdelle war Schüler von Auguste Rodin. ©casowi

Faszinierend in sich ruhend, die Frauenbüsten Bourdelles. ©casowi

Eine Wand in Bourdelles Atelier – viele Büsten. ©casowi

Ein Gang voller Beethoven-Büsten im Hause Bourdelle. ©casowi

… ausnahmsweise weder Frau noch Beethoven. ©casowi

Einer der Wohnräume von Antoine Bourdelle – mit einem Schrank voller Skulpturen. ©casowi

Im Garten des Musée Bourdelle: A beauty. And a beast. ©casowi

Nachdenklich und doch beschwingt verlässt man das Musée Bourdelle. ©casowi
Die Balenciaga-Ausstellung ist bis einschließlich 16. Juli zu sehen – danach vermitteln auch das Video sowie die kostenlose App das Flair des Basken in Paris.
Das Musée Bourdelle befindet sich in der gleichnamigen Straße nahe dem Gare Montparnasse und ist täglich außer Montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintrittstickets kann man nur vor Ort kaufen.
Ich war im Frühjahr 2017 zweimal in Paris und habe die Ausstellung sowie das Museum beide Male auf mich wirken lassen. Für den ersten Besuch bedanke mich für die Einladung anlässlich der Eröffnung der Saison Culturelle 2017 herzlich bei Atout France und seinen Partnern. #feelfrenchculture