Als wäre der Louvre als eines der größten und meistbesuchten Museen der Welt nicht ohnehin schon voller Kunstdelikatessen – nun hat er sich noch ein besonderes Schmankerl geholt: Die Ausstellung „Vermeer und die Meister der Genremalerei“ zeigt noch bis zum 22. Mai gleich zwölf der Werke von Jan Vermeer (1632–1675). Zwölf Bilder, das mag manch einem nicht wirklich viel vorkommen. Bedenkt man aber, dass weltweit überhaupt nur 37 Gemälde des Niederländers existieren, so gewinnt die Pariser Ausstellung weiter an Bedeutung. Um die ausgestellten Bilder sonst zu sehen, müsste man nach Dublin, London, Washington, New York, Amsterdam, Berlin und Frankfurt reisen – natürlich alles per se lohnenswerte Städte. Und auch wenn es immer viele Gründe für einen Paris-Besuch gibt: Man kann die Seine-Metropole durchaus auch mal wegen eines sehr alten Niederländers besuchen!

Nur selten ist’s so leer vor dem Eingang des Louvre. ©casowi
Vermeer, der in Delft lebte, ist berühmt für seine ganz individuelle Art, mit Licht zu spielen und seinen Werken so das gewisse Etwas zu verleihen. Der amerikanische Erfinder Tim Jenison versuchte, dem Geheimnis der nahezu fotografischen Anmutung auf die Spur zu kommen und setzte sich gut zehn Jahre mit Vermeers Bildern auseinander. Er entwickelte schließlich die Hypothese, Vermeer habe mithilfe einer Camera obscura sowie deren Fortentwicklung mittels einer zusätzlichen Linse gearbeitet. So gelang es ihm, seinen Gemälden eine unglaubliche Strukturtiefe wie auch Lichtintensität und Detailtreue zu verleihen. Ein bisschen schräg mutet Jenisons Hypothese an mancher Stelle der Dokumentation „Tim’s Vermeer“ schon an und doch wirkt das Prinzip recht überzeugend. Wäre es nicht so aufwändig, so würde ich es gerne überprüfen. Der Film ist auf alle Fälle sehenswert, auch aufgrund der Begegnungen mit David Hockney, der sich ebenfalls intensiv mit Vermeers Technik auseinander gesetzt hatte.

Das Plakatmotiv zur Vermeer-Ausstellung im Louvre ist „The Milkmaid“ und ziert diverse Souvenirartikel vom Brillenputztuch bis zum Kühlschrankmagneten.
Von Vermeer ist bekannt, dass er sich mit jedem seiner Gemälde etwa ein halbes Jahr lang beschäftigte. Meist waren die Bilder von Mäzenen in Auftrag gegeben – falls nicht, erhielten sie doch zumindest ein Vorkaufsrecht. Die Kuratoren der Pariser Ausstellung haben die Bilder anderer Niederländer dieser Zeit sehr geschickt mit gleichen oder doch zumindest recht ähnlichen Themen-Sujets wie „Dame mit Waage“ oder „Dame, einen Brief schreibend (oder lesend)“ mit den Vermeer-Werke kombiniert und beleuchten so das Goldene Zeitalter der eleganten niederländischen Genremalerei eindrucksvoll. In den abgebildeten Alltagsszenen, die beispielsweise junge Frauen beim Spitzenklöppeln, Eingießen von Milch oder am Spinett musizierend zeigen, sind immer wieder auch versteckte Hinweise auf eine (häufig auch erotische) Hintergrundaussage zu finden: So stehen die Papageien für Eitelkeit und zugleich auch für die Bereitschaft junger Damen, sich einem Liebsten hinzugeben, mehr oder minder diskret abgebildete Austern förderten bekanntermaßen schon damals die Wollust und das Verfassen oder Lesen eines Briefs verhieß gerne auch einen heimlichen Liebhaber.

Der Screenshot der Louvre-Website zur Ausstellung zeigt einige der Exponate.
Bei meinem ersten Ausstellungsbesuch hatte ich zugegebenermaßen fast nur Augen für Vermeers „Top 12“ – es tat mir zwar leid, den anderen Künstlern wie Jan Steen, Frans van Mieris oder Samuel van Hoostraten nur wenig Beachtung zu schenken, aber das Bewusstsein, nur eine knappe Stunde für den Besuch zur Verfügung zu haben, ließ es nicht anders zu. Zu ergriffen war ich von den einzelnen Vermeer-Bildern und zugleich von der Tatsache, so viele von ihnen an diesem Ort vereint zu wissen. Beim zweiten Mal gab es kein Zeitlimit, dafür größeres Gedränge durch Gruppenreisende, die zum Teil mit dicken Rucksäcken auf dem Rücken und meist einem Audioverstärker in der Hand und am Ohr eher zu Boden glotzten oder auf den Tourguide als auf die Kunstwerke selbst. Immerhin wurden keine Kameras oder Smartphones für Selfies hochgerissen – das ist den Besuchern der Sonderausstellung zum Glück untersagt. In der Bestandssammlung bieten Mona Lisa, die Venus von Milo & Co. jedoch ausreichend Möglichkeit und Raum für diese Unart der Moderne. Doch dazu mal an anderer Stelle.

Der Haupteingang in den Louvre führt durch die gläserne Pyramide. ©casowi
Der Louvre und somit auch die Ausstellung sind täglich außer dienstags von 9 bis 18 Uhr geöffnet, mittwochs wie freitags gibt es eine Abendöffnung bis 22 Uhr – jeweils eine halbe Stunde vor der Schließung werden die Säle bereits geräumt. Der Eintritt zur Ausstellung (der auch zum Besuch der normalen Louvre-Räume berechtigt) kostet für Erwachsene 15 EUR, bis 18 Jahre ist der Besuch kostenlos (unbedingt einen Personalausweis zum Nachweis mitführen – ein Onlineticket muss dennoch gelöst werden). Es ist überaus empfehlenswert, vorab (aktuell mit vier Tagen Vorlauf) über den Onlineticketshop des Louvre seine bevorzugte Eintrittszeit zu buchen. Zu dieser wirklich streng einzuhaltenden Eintrittszeit muss man zudem etwa weitere 45 Minuten Wartezeit bis zum endgültigen Einlass einzukalkulieren, während derer man keine Möglichkeit zum Verlassen der Warteschlange hat.
Zum Ende unseres Zweitbesuchs gab es einen Alarm in einem anderen Gebäudeteil des Louvre und eine aufgrund des Schalls schwer verständliche Durchsage forderte alle Besucher/-innen auf, das Gebäude zu verlassen. Uns war unwohl bei dem Gedanken, mit gefühlten zehntausenden weiteren Besuchern die Basis der Pyramide zu betreten, um das Museum zu verlassen und da die Mitarbeiter des Souvenirstandes mit großer Ruhe und Routine ihre Kassiervorgänge fortsetzten, befragten wir unabhängig voneinander zwei Museumsangestellte, wie wir uns am besten verhalten sollten. Beide empfahlen, zunächst an Ort und Stelle zu bleiben, um einem eventuellen Gedränge im Ausgangsbereich zu entgehen. „Wahrscheinlich hat sich nur wieder irgendein Trottel eine Zigarette angesteckt“, meinte einer der Museumswächter lakonisch. Genau das sprach auch unser Bauchgefühl, denn wir sahen durch die Rotunde, welche Menschenmassen sich im Stockwerk über uns gen Ausgang bewegten. Und auf Gedränge und Geschubse und den möglichen Ausbruch einer Massenpanik war uns keinesfalls. Dann lieber hier im Falle eines Falles abwarten, wie sich die Lage entwickeln würde. Ja, das sind Gedanken, die heutzutage bei einem Paris-Besuch durchaus präsent werden können – leider. Tags darauf fand das Attentat auf dem Champs d’Elysees statt. Dennoch fühlten wir uns während unseres Aufenthalts nicht unsicherer als in einer anderen internationalen Großstadt.

Screenshot der App zur Vermeer-Ausstellung im Louvre, die die Texte des Audioguides beinhaltet.

Jedes Vermeer-Bild ist im Audioguide der App zur Ausstellung im Louvre, Paris, detailliert besprochen (Screenshot).
Die empfehlenswerte APP Vermeer / Valentin de Boulogne bietet die Inhalte des Audioguides auf Französisch und Englisch an und kostet 1,99 EUR. Ich habe das bei Taschen erschienene Hardcover zum Gesamtwerk Vermeers dem Ausstellungskatalog vorgezogen, in dem auch viele der in Paris ausgestellten Zeitgenossen Vermeers zu finden sind. Das Buch bietet viel Hintergrundwissen und zoomt immer wieder wundervoll in Details der Bilder hinein.
Ich bedanke mich für die Einladung nach Paris anlässlich der Eröffnung der Saison Culturelle 2017 herzlich bei Atout France und seinen Partnern. #feelfrenchculture